Die Gefahr durch die Hohenzollern ist nicht gebannt

Das Haus Hohenzollern meldet sich zu Wort – und lässt viele Fragen offen.

Historische Verantwortung? Prinz Georg Friedrich von Preußen und seine Frau Sophie vor Schloss Amerongen in den Niederlanden, wo Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1918 abdankte.
Historische Verantwortung? Prinz Georg Friedrich von Preußen und seine Frau Sophie vor Schloss Amerongen in den Niederlanden, wo Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1918 abdankte.imago/PPE

Mietfreies Wohnen in Schlössern, Anspruch auf tausende Kunstwerke aus öffentlichen Museen in Berlin und Brandenburg, auf Teile von Bibliotheken und Archiven – die Hohenzollern verhandeln darüber seit Jahren mit dem Bund. Am Wochenende wurden die Verhandlungen öffentlich und Fragen laut: Hatten die Hohenzollern vor, ihre Kunstsammlungen aus den Museen abzuziehen und zu verkaufen? Jetzt melden sich die Adligen selbst zu Wort – und werfen noch mehr Fragen auf. 

Haben die Hohenzollern nach der für sie kaum anders als katastrophal zu bezeichnenden Berichterstattung vom Wochenende über geforderte Wohnrechte und Kunstwerke aus den Museen und staatlichen Schlössern eingelenkt? Wollten sie nie Kunstsammlungen aus den Museen abziehen, diese gar ökonomisch verwerten? Wollten sie sich vielmehr „der historischen Verantwortung und Aufgabe stellen“, wie es in einem Schreiben des Rechtsanwalts Martin Hennig heißt? Verfasst wurde das Schreiben im Auftrag des aktuellen Chefs des Familienverbands Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der Zusatz „Prinz von Preußen“ ist ausweislich des deutschen Namensrechts, das immer noch Sonderregeln für den 1918 gestürzten Adel enthält, keine Titelbezeichnung, sondern der Nachname.

Zuerst hofft man beim Lesen der Zeilen auf Einsicht – und beginnt doch bald zu zweifeln. Erst einmal, weil etliche für die Debatte zentrale Fragen nicht angesprochen, geschweige denn beantwortet werden: Etwa die zum Wohnrecht, das für Familienmitglieder in einstigen Schlössern eingeräumt werden soll. Dann: Wie steht es um die geforderte Abgabe von Bibliotheksteilen und für die Staatsgeschichte Preußens herausragenden Archivalien, darunter die Briefe der 1918 mit gestürzten Kaiserin Auguste Viktoria, die vor einem Jahr in einem verborgenen Tresor im Neuen Palais gefunden wurden? Wie überhaupt ist der Umfang und die historische, kulturelle wie künstlerische Qualität der geforderten „Herausgaben“ aus der Perspektive der Hohenzollern-Familie zu werten, und welchen Zweck verbindet sie damit?

Ziel sei, die Sammlungen in den bestehenden Museen zu erhalten

Es sei, so der Brief, „das primäre Ziel, die Sammlungen in den bestehenden Museen zu erhalten“ – aber warum wurden dann die Leihverträge mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 2014 gekündigt, wie diese auf Nachfrage der Berliner Zeitung bestätigten? Theoretisch ist damit die kommerzielle Verwertung der einst die Schlösser schmückenden Kunstwerke und Kostbarkeiten sowie der Erinnerungsstücke an die Geschichte Preußens vorbereitet. Dass die Hohenzollern bereit sind, selbst einst ihre Macht beweisende Objekte zu verkaufen, zeigte sich 2012, als sie in Genf das Kronjuwel „Beau Sancy“ versteigern ließen. Ähnliches legt auch der Verkauf des Gemäldes „Ausschiffung nach Kythera“ von Antoine Watteau an Berlin und den Bund nahe. Nach jüngeren Forschungen wurde es, wie andere Werke auch, mehrfach veräußert.

Aber auch zu diesem Vorwurf gibt es in dem Schreiben keinerlei Stellungnahme, nur die Feststellung, dass „auch nach Ansicht von staatlichen Stellen“ – gemeint dürften damit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, der Berliner Kultursenator Klaus Lederer und Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch sein, mit denen die Vertreter der Hohenzollern schon seit 2014 verhandeln – eine „möglichst einvernehmliche Gesamtregelung“ getroffen werden solle. Das Wort „möglichst“ deutet an, dass die Familie Hohenzollern bereit ist, auch auf andere Weise Druck auszuüben.

Inszenierung der Burg Hohenzollern

Vor allem fällt auf – obwohl gerade dagegen viele Berichte des Wochenendes massiv Front gemacht hatten –, dass weiter der Anspruch auf Mitsprache bei der Darstellung der Dynastiegeschichte in Museen und Ausstellungen eingefordert wird. Das jedoch kann keine Republik, keine auch nur halbwegs wissenschaftlich arbeitende Institution akzeptieren. Und erst recht kein Staat, der auf den Trümmern jenes Reiches begründet wurde, der auch durch die Vorfahren der heutigen Hohenzollern in den Ersten Weltkrieg und in die Nazizeit geleitet worden war. Das wissen auch die Hohenzollern, und sie behaupten deswegen, dass das „Haus“ daran interessiert sei, „eine museale Präsentation auf hohem fachlichem Niveau sicherzustellen“.

Als Beispiel wird die Inszenierung auf Burg Hohenzollern genannt, die kaum anders als pure Verherrlichung der einstigen Monarchen zu betrachten ist: Es sei das „meistbesuchte Museum mit Bezug zur preußischen Geschichte.“ Das ist sachlich falsch: Burg Hohenzollern empfängt zwar beachtliche 340.000 Besucher im Jahr, aber die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten etwa 1,42 Millionen. Die Museen, Bibliotheken und Archive der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie das Deutsche Historische Museum haben über fünf Millionen Besucher und Nutzer. Die Einrichtungen werden hier aber nur als „preußische Schlösserverwaltungen und Stiftungen“ zusammengefasst. Dabei ist keine dieser Institutionen von Preußen oder gar den Hohenzollern-Königen und -Kaisern begründet worden. Es sind alle Töchter der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland.

Schloss Cecilienhof und Schloss Lindstedt ganz oben auf der Liste

Wir lesen von Bewusstsein für die „Verantwortung und die Aufgabe des Hauses“. Doch welche Aufgabe hat heute noch ein „einst regierendes Haus“, wie es in den 1920er-Jahren nüchtern in den Akten hieß? Keine, die sich irgendwie von den Aufgaben anderer Bürger dieser Republik unterscheidet. Etwa jener Bürger Frieder Burda oder James Simon, deren immense Großzügigkeit in den vergangenen Tagen immer wieder gelobt wurde. Und was gehört zur Verantwortung? Etwa, dass der einstige Kronprinz Wilhelm Adolf Hitler regelrecht in die „gute Gesellschaft“ einführte, ihm bei seinem ersten großen Propagandaakt, dem „Tag von Potsdam“, durch blanke Anwesenheit dienlich war. Wie der strikt monarchistische Reichspräsident Paul von Hindenburg signalisierte Wilhelm den in der Verwaltung, im Justizwesen und Militär sogar in den Kirchen einflussreichen Monarchisten: Dieser aus Österreich eingewanderte Antisemit, Kriegshetzer und Verfassungsfeind regiert legitim. 

Sicher, er hatte später lockeren Kontakt zum Widerstand – aber sein Bruder August Wilhelm wurde sogar SA-Führer, einer weiteren Karriere im Dienste der Nazis stand nur deren Angst vor den Monarchisten entgegen. Ausgerechnet die Residenzen dieser beiden Männer stehen ganz oben auf der Liste der Immobilienforderungen: Schloss Cecilienhof und Schloss Lindstedt.